Die „Plattform Christen und Muslime“ bemüht sich um eine Klarstellung im Streit um die islamischen Kindergärten in Wien.
Um der notwendigen Objektivität willen kann die Durchführung von qualitativ-empirischer Forschung nur von ausgewiesenen und neutralen Sozialwissenschaftler/innen vorgenommen werden, die weder positiv noch negativ in die Sache involviert sind. Eine solche Forschung arbeitet mit thematisch offenen Interviews, die auf freiwilliger Bereitschaft zur Teilnahme beruhen. Hinzu kommt die Verpflichtung, die Interviewpartner/innen anonym zu halten. Daher kann auf diesem Weg eine „detaillierte theologisch-politische Landkarte der Kindergärten“ (Ednan Aslan, Der Standard 17.12.15) nicht erstellt werden.
Zu den Standards empirischer Forschung gehört, dass von den untersuchten Gruppen nicht auf alle Kindergärten geschlossen werden darf. Schon jetzt aber zeigt sich aufgrund der veröffentlichten Vorstudie, wie schnell ganz wenige Ergebnisse, deren Zustandekommen zudem wegen fehlender Analysekriterien methodisch fragwürdig ist, alle Kindergärten unter einen Generalverdacht stellen.
Dieses Verfahren ist aus der Boulevardpresse bekannt; aber in seriösen Bereichen von Universität und Politik sollte darauf geachtet werden, dass dies nicht geschieht.
Empirische Forschung ist kein Kontrollinstrument. Kontrollen können notwendig und berechtigt sein, doch dafür gibt es Inspektor/innen, die gegebenenfalls eingreifen müssen. Es mag auch nützlich sein, diese Inspektor/innen zu schulen, damit sie Anzeichen von Extremismus besser wahrnehmen können. Aber die weitgehende Unkenntnis von Islam, Koran und den kulturellen Umgangsformen in manchen Herkunftsländern darf nicht dazu führen, einfache Redewendungen oder übliche Gebetstexte zu verdächtigen.
Es muss endlich klargestellt werden, dass es um Kontrolle geht. Kontrollabsichten jedoch mit dafür ungeeigneten wissenschaftlichen Untersuchungen zu bemänteln, wäre eine Irreführung der Öffentlichkeit.
Wir verwenden Cookies, um diese Webseite für Sie möglichst benutzerfreundlich zu gestalten. Nähere Informationen dazu und zu Ihren Rechten als Benutzer finden Sie in unserer „Datenschutzerklärung“ am Ende der Seite. Wenn Sie fortfahren, nehmen wir an, dass Sie mit der Verwendung von Cookies auf dieser Webseite einverstanden sind. AkzeptierenInformationen: Datenschutzerklärung/Cookie-Richtlinie
Ein Aufruf der „Plattform Christen und Muslime“ 16. November 2020
Nach dem abscheulichen Terroranschlag vom 2. November in der Wiener Innenstadt brauchte es den mutigen Einsatz der Polizei und die folgenden gerichtlichen Maßnahmen. Was aber nun in der politischen Diskussion zum Vorschein kommt, dient einem friedlichen Zusammenleben nicht. Zwar betont unser Bundeskanzler, dass hier kein Kampf gegen die Religion des Islam geführt werde, sondern nur gegen den „politischen Islam“.
Aber: Jede Religion ist politisch, auch das Christenrum, wenn sie sich für soziale Gerechtigkeit und ein respektvolles Miteinander einsetzt. Feinde unserer Gesellschaft müssen beim Namen genannt werden: Menschen und Gruppen, die gegen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auftreten, gegen andere Religionen als die eigene, gegen Minderheiten und Geschlechtergerechtigkeit. Mit dem Unwort „politischer Islam“ drängt die Politik Muslim/innen in unserem Land in eine Abwehrhaltung, die notwendige innerislamische kritische Diskussionen behindert.
Einander besser verstehen
Die Geburtsstunde der „Plattform Christen und Muslime“ hat mit der Frage zu tun, wie auf Spannungen reagiert werden soll. Der Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen führte 2006 zu blutigen Auseinandersetzungen. Einige von uns, darunter der 2011 zu früh verstorbene Paul Schulmeister, initiierten daraufhin die „Plattform Christen und Muslime“, getragen von muslimischen und christlichen Persönlichkeiten. Es sollte ein Akzent für gegenseitiges Vertrauen gesetzt werden. Auf den „Tag des Zorns“ in der islamischen Welt reagierte die Plattform mit einem öffentlichen „Tag des Dialogs“ in der Wiener Innenstadt, an dem prominente Christ/innen und Muslim/innen teilnahmen.
Für das geistige und soziale Klima
Seither bemüht sich die „Plattform“, ab 2014 als eingetragener Verein, der Überzeugung des Anfangs Geltung zu verschaffen: Öffentliche Gespräche und Veranstaltungen sorgten für ein besseres Verständnis der Religion des Islam. Denn nur Begegnung und Verständigung über gemeinsame Absichten und Ziele kann ein konstruktives Zusammenleben schaffen. Aus dieser Verständigung sind auch gemeinsame wissenschaftliche Projekte und Publikationen hervorgegangen. Christen und Muslime sind, sowie alle Bürgerinnen und Bürger Österreichs, dazu aufgerufen, einander noch besser als bisher zu verstehen, noch mehr voneinander zu wissen – und noch mehr aufeinander zu achten . . . Unser Umgang miteinander prägt nicht nur das geistige und soziale Klima in Österreich, er beeinflusst auch das politische Klima in Europa und das Zusammenleben in einer globalen Schicksalsgemeinschaft (aus unserer Grundsatzerklärung).
Für neue Prozesse der Begegnung
Die „Plattform Christen und Muslime“ gibt nicht auf, für die permanente Verständigung mit muslimischen Mitbürger/innen zu plädieren. Österreich hatte seit den Zeiten der Monarchie eine anerkannte und tolerante Tradition des respektierenden Umgangs mit seiner muslimischen Bevölkerung. Daran können sich Politik und Glaubensgemeinschaften immer noch ein Beispiel nehmen. Es kommt darauf an, schreibt Papst Franziskus in seiner neuen Enzyklika nach seiner Begegnung mit muslimischen Würdenträgern, „Prozesse der Begegnung in Gang zu setzen“ (217). Deshalb bittet die „Plattform Christen und Muslime“ insbesondere die christlichen Kirchen, mehr zu tun, als gemeinsam Trauerkundgebungen abzuhalten. Notwendig ist eine neue Initiative zum permanenten Gespräch, um die muslimischen Mitbürger und Mitbürgerinnen wirklich zu beheimaten und den Extremisten langfristig den Boden zu entziehen.